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Fachbereich Führungsaufsicht

Entwicklung, Ziele, Aufgaben und gesetzliche Grundlagen.

Nach obenWas ist Führungsaufsicht?

Die Führungsaufsicht ist eine der in § 61ff. StGB geregelten Maßregeln der Besserung und Sicherung. Neben der Führungsaufsicht gehören die Entziehung der Fahrerlaubnis sowie das Berufsverbot zu den sogenannten nicht freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung. Freiheitsentziehende Maßregeln sind die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung. Die Maßregeln sind alle in die Zukunft gerichtet und sollen eine erneute Straffälligkeit verhindern.

Bereits die Bezeichnung der Maßregel verdeutlicht die beiden Aufgaben, nämlich Führung und Aufsicht. Zum einen soll die Führungsaufsicht die verurteilte Person nach der Entlassung aus der Strafhaft, der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt durch Betreuung und Hilfe unterstützen, ihr dadurch die Eingliederung in die Gesellschaft erleichtern und sie vor erneuter Straffälligkeit bewahren. Zum anderen soll sie eine Überwachung und Kontrolle durch die Führungsaufsichtsstelle gewährleisten. Diese beiden Aspekte der Führungsaufsicht - Hilfe und Kontrolle - finden bei der Ausgestaltung gleichermaßen Berücksichtigung, können aber abhängig vom Einzelfall durchaus unterschiedliche Gewichtung zugemessen bekommen.

Nach obenWie hat sich die Führungsaufsicht entwickelt?

Wie hat sich die Führungsaufsicht entwickelt?

Mit Inkrafttreten des 2. Strafrechtsformgesetzes wurde 1975 die frühere,rechtlich umstrittene Polizeiaufsicht durch die Maßregel der Führungsaufsicht abgelöst. Der Bewährungshilfe verwandt, dient sie dem Gedanken der Resozialisierung und kann durch ihre erweiterten Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten dazu beitragen Straftaten zu verhindern und relevante negative Sozialentwicklungen rechtzeitig festzustellen sowie erforderliche Maßnahmen zur Abwehr ergreifen.

Im Jahr 2007 wurden mit dem Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung zahlreiche Neuerungen und Ergänzungen beschlossen, u. a. eine Erhöhung des Strafrahmens für Weisungsverstöße, eine Erweiterung der Befugnisse des Vollstreckungsgerichtes und der Führungsaufsichtsstelle und Regelungen zur ambulanten Nachsorge aus dem Maßregelvollzug Entlassener.

2010 erfolgte die Einführung der Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern in Nordrhein-Westfalen (KURS  NRW), die ausschließlich bei Personen, die unter Führungsaufsicht stehen, Anwendung findet.

Nach obenWann tritt Führungsaufsicht ein?

Die gesetzlichen Grundlagen der Führungsaufsicht ergeben sich aus dem Strafgesetzbuch (StGB), dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) und der Strafprozessordnung (StPO). Führungsaufsicht kommt auch gegenüber Jugendlichen in Betracht (§ 7 JGG).

Wie ist die Führungsaufsicht zu unterscheiden?

Zwei Hauptgruppen der Führungsaufsicht sind zu unterscheiden:

  • Eintritt der Führungsaufsicht nach Strafverbüßung:

    • nach vollständiger Verbüßung einer mindestens zweijährigen Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe wegen einer vorsätzlichen Straftat oder einer Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§ 68f StGB) tritt automatisch Führungsaufsicht ein. Die zuständige Strafvollstreckungskammer prüft dann, ob die Führungsaufsicht ausnahmsweise entfällt, weil zu erwarten ist, dass der Verurteilte keine Straftaten mehr begehen wird.
  • Eintritt der Führungsaufsicht im Zusammenhang mit einer freiheitsentziehenden Maßregel:

    • Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt zur Bewährung (§ 67 c Abs. 1 , 67 d Abs. 2 StGB ).
    • nach § 67 d Abs. 5 StGB außerdem mit der Entlassung aus der Unterbringung nach § 64 StGB, wenn das Gericht die Maßregel wegen Aussichtslosigkeit aufhebt und nach § 67 d Abs.3 StGB, wenn das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung für erledigt erklärt.
    • Daneben gibt es weitere Fälle, in denen Führungsaufsicht eintritt.

Darüber hinaus kann das Gericht bei bestimmten rückfallträchtigen Delikten (z. B. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, erpresserischer Menschenraub, Geiselnahme, Hehlerei, Diebstahl, Betrug) ab einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten schon im Zeitpunkt der Verurteilung neben der Strafe den Eintritt der Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1 StGB), wenn die Gefahr besteht, dass der Verurteilte weitere Straftaten begehen wird.

Nach obenAufgaben der Führungsaufsicht

Welche genauen gesetzlichen Aufgaben hat die Führungsaufsicht

Hilfe und Betreuung

Bei Eintritt der Führungsaufsicht bestellt die zuständige Strafvollstreckungskammer für die verurteilte Person eine Bewährungshelferin bzw. einen Bewährungshelfer, die zugleich die Aufgaben der Führungsaufsichtsstelle wahrnehmen. Diese steht der verurteilten Person helfend und betreuend zur Seite. Zu den Hilfsangeboten zählen, wie auch im Fachbereich Bewährungshilfe, u. a. die individuelle Lebensberatung, beispielsweise bei familiären Problemen, sowie die Unterstützung bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, bei der Überwindung von Sucht und Verschuldung sowie im Umgang mit Behörden.

Überwachung

Die Strafvollstreckungskammer kann der verurteilten Person Weisungen für ihre künftige Lebensführung erteilen. Die Führungsaufsichtsstelle überwacht im Einvernehmen mit dem Gericht das Verhalten der verurteilten Person und die Erfüllung der Weisungen. Dazu kann die Führungsaufsichtsstelle von sämtlichen öffentlichen Behörden Auskünfte einholen. Sie kann Ermittlungen anstellen oder durch andere Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit vornehmen lassen. Die zuständige Bewährungshelferin bzw. der zuständige Bewährungshelfer berichten dem aufsichtsführenden Gericht auf Anforderung, bei Verstößen gegen Weisungen sowie bei relevanten Veränderungen der Lebenssituation der verurteilten Person. Ein Verstoß gegen eine strafbewehrte Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden.

Nach obenOrganisation der Führungsaufsicht in NRW

Wie arbeitet die Führungsaufsicht?

Ein einheitlicher ambulanter Sozialer Dienst der Justiz nimmt seit dem Jahr 2008 in Nordrhein-Westfalen als Teil einer integrierten Kriminalpolitik mit spezialisierten Fachbereichen die Aufgaben der Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie der Führungsaufsicht wahr - Organisation des ambulanten Sozialen Dienstes der Justiz in Nordrhein-Westfalen (4260 – III. 1 –JMBl. NRW S. 73).

Mit dem Ziel der Verringerung des Rückfallrisikos von unter Führungsaufsicht stehenden, rückfallgefährdeten Sexualstraftätern trat in Nordrhein-Westfalen zum 01.02.2010 die Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern (KURS-s.oben) in Kraft. Zur Koordinierung wurde beim Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen eine Zentralstelle eingerichtet.

In den Dienststellen des ambulanten Sozialen Dienstes der Justiz in Nordrhein-Westfalen werden die Aufgaben des Fachbereiches Führungsaufsicht von einer oder mehreren Fachkräften wahrgenommen, die in der Regel gleichzeitig auch im Fachbereich Bewährungshilfe und/oder im Fachbereich Gerichtshilfe tätig sind. Bei jedem der 19 Landgerichte ist eine Führungsaufsichtsstelle eingerichtet, die jeweils von einer Richterin bzw. einem Richter geleitet wird. Die Aufgaben der Führungsaufsichtsstelle werden, soweit diese nicht dem Leiter vorbehalten sind, durch die Fachkraft des Fachbereichs Führungsaufsicht wahrgenommen.

Nach obenStatistik/Zahlen

Im Jahre 2015 wurden in Nordrhein Westfalen insgesamt 8.200 Klienten im Rahmen der Führungsaufsicht betreut. Im Vergleich zum Jahr 2009 (insgesamt 5.132 Klienten) bedeutet dies eine Steigerung von gut 60 %.


Bereits zuvor konnte im Zeitraum von 2008 bis 2009 mit 10% Steigerung eine signifikante Erhöhung der Fallzahlen im Fachbereich der Führungsaufsicht festgestellt werden.


Im bundesdeutschen Gesamtkontext hat das Bundesland NRW vor Bayern die höchste Anzahl an Führungsaufsichten (Stand 2015).
Zuletzt wurden in NRW zum Stichtag 31.12.2022 bei den drei Oberlandesgerichten Köln, Hamm und Düsseldorf 8.175 angeordnete Führungsaufsichtssachen gezählt.


Im Vergleich dazu im Maßregelvollzug verwahrte Personen: im Jahre 2013 (letzte statistische Erhebung) waren in Nordrhein-Westfalen insgesamt 3.018 Personen (hiervon 205 weiblich) aufgrund strafrichterlicher Anordnung (§ 63 StGB und 64 StGB) in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt untergebracht.