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Staatsanwältin mit Ermittlungsakte

Quelle: Justiz NRW

Die Stellung des Verletzten im Ermittlungsverfahren

Erläuterung der verschiedene Positionen des Verletzten im Ermittlungsverfahren

Darstellung der Verfahrensrollen des Verletzten im Ermittlungsverfahren: Anzeigender, Zeuge, Privatkläger, Nebenkläger und sonstige Rechte der Verletzten.

Welche Möglichkeiten der Mitwirkung hat das Opfer einer Straftat?

Der Verletzte (auch "Geschädigter" oder "Opfer" genannt) ist durch eine Straftat stets in stärkstem Maße betroffen. Deswegen hat die rechtspolitische Diskussion bereits seit langem die stärkere aktive Einbeziehung der bzw. des Verletzten in das Ermittlungs- und Strafverfahren gefordert. Dies mündete in das am 1. April 1987 in Kraft getretene Opferschutzgesetz, das die Teilhaberechte des Verletzten deutlich verstärkte und präzisierte. Als Folge der weitergehenden Diskussion hat der Gesetzgeber den Täter-Opfer-Ausgleich mit Wirkung zum 28. Dezember 1999 in die Strafprozessordnung aufgenommen und mit den am 1. September 2004 und 31. Dezember 2015 in Kraft getretenen Opferrechtsreformgesetzen die Rechte des Verletzten noch weiter verstärkt.

Nach obenVerfahrensrollen des Verletzten

Der Verletzte tritt im Ermittlungs- und Strafverfahren in verschiedenen Verfahrensrollen auf.

Der Verletzte als Anzeigender

In einem großen Teil der Ermittlungsverfahren wird die Strafanzeige durch den Verletzten erstattet. Damit hat dieser Anspruch darauf, von der Staatsanwaltschaft mit einem begründeten Bescheid über die Gründe einer Verfahrenseinstellung unterrichtet zu werden. Als Anzeigender kann er die Überprüfung dieser Entscheidung durch die übergeordnete Generalstaatsanwaltschaft verlangen. Als Verletzter kann er gegen deren Entscheidung - soweit die Einstellung nicht aus einem dem Opportunitätsprinzip zuzurechnenden Grund (§§ 153, 153a, 153b, 154, 154b, 154c StPO) erfolgt ist oder nur ein sog. Privatklagedelikt (§ 374 StPO) in Rede steht - Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 172 ff. StPO) stellen. Der Antrag für ein Klageerzwingungsverfahren kann nur von einem Rechtsanwalt verfasst werden. Dieser kann für den Verletzten Einsicht in die Ermittlungsakten nehmen.

Der Verletzte als Zeuge

Der Verletzte kann sich bei der Wahrnehmung seiner Verletztenrechte des Beistands eines Rechtsanwalts bedienen oder sich durch einen solchen vertreten lassen (§ 406f Abs. 1 StPO). Dieser Rechtsanwalt kann für den Verletzten bestimmte, näher in § 406e StPO bezeichnete Rechte, beispielsweise das Recht auf Einsicht in die Ermittlungsakten, wahrnehmen; außerdem ist ihm die Anwesenheit bei der Vernehmung des Verletzten gestattet, wo er auch das Recht des Verletzten auf Beanstandung von Fragen ausüben darf.

Zudem haben die Verletzten - unter bestimmten Voraussetzungen (etwa bei Vorliegen eines Gewalt- oder Sexualdelikts) - die Möglichkeit, von einer psychosozialen Prozessbegleitung Gebrauch zu machen. Sie unterstützt Verletzte zum Beispiel, indem sie sie über den Ablauf eines Ermittlungs- und Strafverfahrens informiert, sie zu Vernehmungen begleitet, ihnen Hinweise zum Bedarf nach (weiterer) Hilfe gibt oder auch bei der Alltagsbewältigung hilft.

Wird der Verletzte als Zeuge vernommen, kann er beantragen, dass einer Person seines Vertrauens die Anwesenheit gestattet wird (§ 406f Abs. 2 StPO).

Daneben kann das Gericht unter bestimmten, in § 68b Abs. 2 StPO dargestellten Voraussetzungen dem Verletzten - wie jedem anderen Zeugen - für die Dauer seiner Vernehmung einen Rechtsanwalt als Beistand beiordnen.

Der Verletzte als Zeuge kann ferner

  1. seine Untersuchung auf bestimmte Spuren oder Folgen einer Straftat grundsätzlich nicht verweigern (§ 81c Abs. 1 StPO). Anderes gilt nur, wenn eine solche Untersuchung ihm bei Würdigung der Gesamtumstände nicht zugemutet werden darf (§ 81c Abs. 4 StPO).
  2. die Antwort auf ihm unangenehme Fragen nicht verweigern, erst recht nicht die Frage falsch beantworten. Fragen, die dem Opfer selbst oder einem Angehörigen zur Unehre gereichen können - etwa nach dem sexuellen Vorleben des Vergewaltigungsopfers - sollen nur gestellt werden, wenn dies unerlässlich ist. Auch die Frage nach Vorstrafen ist nur in eingeschränktem Umfang zulässig, insbesondere zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen (§ 68a StPO).
  3. im Rahmen der Hauptverhandlung an einem anderen Ort als dem Gerichtssaal audiovisuell (also mit einer Datenübertragung in den Gerichtssaal) vernommen werden, wenn schwerwiegende Nachteile für das Wohl des Zeugen bei einer Vernehmung in Gegenwart der in der Hauptverhandlung anwesenden zu befürchten ist (§ 247a StPO),
  4. den Ausschluss der Öffentlichkeit beantragen, wenn Umstände aus seinem persönlichen Lebensbereich zur Sprache kommen werden, deren Erörterung seine schutzwürdige Interessen verletzen würde (§ 171 b Abs. 3 GVG). Als solche Umstände kommen die religiöse und politische Überzeugung des Opfers, seine Gesundheit oder sein Sexualverhalten in Betracht, wobei unerheblich ist, ob ihr Bekanntwerden dem Opfer zur Unehre gereichen würde oder nicht.
  5. einem vom Gericht vorgesehenen Ausschluss der Öffentlichkeit widersprechen, wenn er daran interessiert ist, bestimmte Vorgänge in der öffentlichen Hauptverhandlung zur Sprache zu bringen (§ 171b Abs. 4 GVG).

Kann der Verletzte selbst ein gerichtliches Strafverfahren einleiten?

Der Verletzte als Privatkläger

Bei bestimmten, in § 374 StPO im einzelnen Delikten, beispielsweise

  1. Hausfriedensbruch,
  2. Beleidigung,
  3. Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen,
  4. Verletzung des Briefgeheimnisses,
  5. Körperverletzung,
  6. Nötigung oder Bedrohung,
  7. Bestechlichkeit oder Bestechung im geschäftlichen Verkehr,
  8. Sachbeschädigung,
  9. manchen wettbewerbsrechtlichen Strafbestimmungen und
  10. Verstößen gegen das Markengesetz, das Urheberrechtsgesetz und vergleichbare Vorschriften

kann der Verletzte selbst das gerichtliche Strafverfahren durch eine Privatklage einleiten. Bei den meisten der oben genannten Delikte setzt die Erhebung der Privatklage die Durchführung eines Sühneversuchs durch eine Vergleichsbehörde, in Nordrhein-Westfalen der bzw. den für den Wohnsitz des Beschuldigten zuständigen Schiedsfrau oder Schiedsmann, voraus (§ 380 StPO). Eine von der Staatsanwaltschaft erhobene öffentliche Klage kommt nur dann in Betracht, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt.

Der Privatkläger kann sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen und unter bestimmten weiteren Voraussetzungen insoweit Prozesskostenhilfe erhalten. Näheres hierzu finden Sie unter den Ausführungen zum Privatklageverfahren in der Rubrik Strafverfahren.

Kann der Verletzte neben der Staatsanwaltschaft eine aktive Verfahrensrolle ausüben?

Der Verletzte als Nebenkläger

Ist der Verletzte Opfer einer der in § 395 StPO genannten Straftaten, beispielsweise durch

  1. eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174 bis 182, 184i bis 184k StGB,
  2. eine Beleidigung nach den §§ 185 bis 189 StGB oder einen Raub bzw. eine räuberischen Erpressung nach den §§ 249 ff. StGB (beide Deliktsgruppen in den besonderen Fällen von § 395 Absatz 3 StPO),
  3. eine Aussetzung oder Körperverletzung nach den §§ 221, 223 bis 226a und 340 StGB, Menschenhandel, Zwangsprostitution, Zwangsarbeit, Ausbeutung der Arbeitskraft, Menschenraub, eine Entziehung Minderjähriger, Kinderhandel, Zwangsheirat, Nachstellung, eine schwere Freiheitsberaubung, einen erpresserischen Menschraub, eine Geiselnahme oder eine schwere Nötigung nach den §§ 232 bis 238, 239 Abs. 3, 239a und 239b StGB und § 240 Absatz 4 
  4. eine Zuwiderhandlung nach § 4 GewSchG oder
  5. einen versuchten Mord oder Totschlag nach §§ 211 und 212 StGB

verletzt worden, so kann er sich der von der Staatsanwaltschaft erhobenen öffentlichen Klage als Nebenkläger anschließen. Das gleiche gilt für einige weitere Fälle, etwa die Eltern, Kinder, Geschwister und Ehegatten eines durch eine rechtswidrige Tat Getöteten. Das Nähere hierzu finden Sie unter den Ausführungen zur Nebenklage in der Rubrik Strafverfahren.

Der nebenklageberechtigte Verletzte

Auch der Geschädigte, der nach dem Vorstehenden berechtigt ist, als Nebenkläger aufzutreten, ist, auch ohne dass er von diesem Recht Gebrauch macht, berechtigt, sich als Nebenkläger des Beistands eines Rechtsanwaltes zu bedienen oder sich durch einen solchen vertreten zu lassen. Der entsprechende Rechtsanwalt hat bestimmte, näher in §§ 397 Abs. 2, 406f Abs. 1, 406g Abs. 2 StPO bezeichnete Rechte. Auf  seinen diesbezüglichen Antrag wird er vom Gericht über den Termin zur Hauptverhandlung informiert (§ 214 Abs. 1 StPO).

Sonstige Rechte des Verletzten im Strafverfahren

Welche sonstigen Rechte hat der Verletzte im Strafverfahren?

Der Verletzte hat unter anderem folgende weitere Rechte:

  1. Auf seinen diesbezüglichen Antrag wird dem Verletzten die Einstellung des Verfahrens mitgeteilt (§ 406d Abs. 1 StPO).
  2. Auf seinen diesbezüglichen Antrag wird dem Verletzten unter bestimmten weiteren Voraussetzungen mitgeteilt, wenn gegen den Beschuldigten oder Verurteilten freiheitsentziehende Maßnahmen angeordnet oder beendet werden (§ 406d Abs. 2 StPO).
  3. Auf seinen diesbezüglichen Antrag ist die Anwesenheit einer Vertrauensperson des Verletzten bei dessen Vernehmung zu gestatten (§ 406f Abs. 2 StPO).
  4. Durch eine im Strafverfahren erhobene Zivilklage kann der Verletzte erreichen, dass im Strafverfahren zumindest dem Grunde nach über seine aus der Tat resultierenden Ansprüche entschieden wird; insoweit kann auch im Strafverfahren ein Vergleich über die aus der Straftat erwachsenden zivilrechlichen Ansprüche protokolliert werden (§§ 403 bis 406 StPO).
  5. Der Verletzte ist über seine vorstehenden Rechte zu belehren (§ 406i StPO).
  6. Außerdem soll er auf die Möglichkeit, Unterstützung und Hilfe auch durch Opferhilfeeinrichtungen zu erhalten, hingewiesen werden (§ 406i  Nr. 5 StPO).
  7. Auf seinen diesbezüglichen Antrag soll der nebenklageberechtigte Verletzte vom Gericht über den Termin zur Hauptverhandlung informiert werden (§ 214 Abs. 1 StPO).